Reparatur Marantz SR6200
- Erik
- 29. Nov. 2024
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 1. Dez. 2024
Wenn ich vor der Reparatur gewusst hätte, was mich erwartet.....ich hätte es trotzdem gemacht. :-) Schließlich stand ein wunderschöner MARANTZ SR6200 Receiver auf meinem Tisch. Noch dazu in einer seltenen Champagner Edition.

Die Fehlerbeschreibung für diesen 5.1 Receiver war eindeutig:
Brummen auf allen Kanälen, lässt sich nicht regeln
Schutzabschaltung nach einigen Minuten
Die Ursachen können dabei vielfältig sein. Allein die Schutzabschaltung kann auf Grund von Temperaturproblemen oder Gleichspannung an den Lautsprecher-Anschlüssen ausgelöst werden. Es schien spannend zu werden.
Nach Öffnen des Gerätes gab es also zuerst ein Wärmebild. Das hilft mir Probleme in der Wärmeableitung oder defekte Bauteile zu finden. Und ich wurde schnell fündig:
Die Endstufen-Transistoren zeigten rote Köpfe. Und das schon nach wenigen Minuten im Leerlauf des Gerätes. Das war ungewöhnlich, denn das Gerät war mit einem sehr guten Kühlkörper ausgestattet. Dieser blieb hingegen kalt. Ein Zeichen, das die Wärmeableitung nicht funktionierte.
Bevor ich auf weitere Fehlersuche ging, musste das korrigiert werden. Ansonsten wäre wohl Totalschaden angesagt. Den die verbauten Darlington Power Transistoren vom Typ SAP16N(P)Y wären schwer zu besorgen gewesen. Und bei 6 Kanälen gibt es davon mal satte 12 Stück.
Zum Glück ist der Marantz SR6200 sehr servicefreundlich aufgebaut. Ein paar Schrauben lösen, ein paar Kabel entfernen und die komplette Endstufe inklusive Kühlkörper lag vor mir.

Die Idee war, die Transistoren neu zu betten. Alles reinigen, neue Kühlpaste und Glimmerscheiben. Das sollte die Wärmeableitung verbessern.
Da die Transistoren zwischen Endstufen-Platine und Kühlkörper verschraubt waren, musste ich zuerst alle Lötpunkte öffnen. Das hieß bei 12 Transistoren insgesamt 60 Lötstellen, den die Power-Transen sind schließlich 5-beinig.
Als das erledigt war, musste ich noch die Schrauben lösen und dann fielen die Teile schon vom Kühlblech. Keine Haftung mehr, trockene Kühlpaste und somit ne Menge Luft dazwischen. Also keine Wärmeableitung, wie vermutet.

Es dauerte etwas, bis alle 12 Transistoren neu gebettet waren und die Kühlpaste hatte ich bis hinter den Ohren. Anschließend alles gereinigt, damit es auch optisch was hermacht. Sieht zwar keiner, da komplett verbaut, aber der innere Monk meldete sich.

Jetzt war Überlegen angesagt: Alles wieder verbauen und nach dem Test feststellen, das der Fehler in der Endstufe lag? Also wieder 60 Lötstellen, wobei zu viel Wärme an den Beinen der Transistoren unweigerlich auch zum Tod derselben führen könnte. Oder gleich die Endstufe überprüfen? Ich entschied mich für Letzteres.
Stichprobenartig überprüfte ich einzelne Kondensatoren. Also auslöten, messen. Das Ergebnis war ernüchternd. Alle Testkandidaten fielen entweder mit hohen ESR-Werten auf oder die Kapazität war jenseits der 20%-Toleranz. Einige waren weit darunter. Also Lagerbestand überprüft und festgestellt, das alles vorrätig war. Es dauerte etwas, bis alle 6 Kanäle neu bestückt waren. Dann wurde die Platine mit den Transistoren verheiratet und alles wieder verbaut. Ein erster Test stand an. Mit dem guten Gefühl, das die Wärmeableitung funktionierte und die Endstufe in Ordnung war.
Der Test war ernüchternd. Ein starkes Brummen auf allen Kanälen. Aber die Schutzabschaltung blieb aus und der Kühlkörper wurde langsam warm. Ein kleiner Erfolg.
Nächster Schritt: Signal einspeisen und verfolgen. Das war leichter gesagt als getan. Das Gerät ist modular aufgebaut, mit vielen Steckkarten. Das ist der Vielzahl der Ein- und Ausgänge geschuldet: Analog, Digital, 5.1 Kanäle getrennt usw. Ein Eingangssignal wird über die entsprechende Eingangskarte, das Motherboard, den digitalen Soundprozessor (aufsplitten der Kanäle) bis zur Volumen-Regler-Platine durchgeschliffen. Von dort geht es erst zur Endstufe. Und bis zur Volumen-Regler-Platine konnte ich das Signal auch verfolgen. Es ging rein, kam aber nicht wieder raus. Die Endstufe dümpelte also vor ich hin.
Dazu stellte ich aber etwas Kurioses fest: Kam ich in die Nähe der Platinen, änderte sich der Brummton. Ein leichtes Bewegen der Platinen konnte diesen Effekt verstärken.

Mein Verdacht richtete sich auf die Stecksockel der Karten. Konnten hier fehlerhafte Lötstellen die Ursache sein? Durchaus denkbar im Laufe der Zeit. Da es auf dem Geräteboden aber keine Serviceöffnung gab, hieß das: Alle Platinen entfernen und Motherboard ausbauen.


Auf der Rückseite der Platine wurde ich dann auch fündig. Aber es war nicht nur ein Sockel betroffen, bei allen Sockeln waren fehlerhafte Lötstellen vorhanden. Also alle Lötstellen entlöten, reinigen und neue verlöten.
Sehr zeitintensiv, aber der Aufwand hat sich gelohnt. Das Motherboard konnte wieder verbaut werden.
Also wieder Funktionstest. Aber das Gerät brummte weiterhin monoton vor sich hin. Mit dem Fortschritt, das eine Bewegung an den Steckkarten keine Änderung am Brummton bewirkte. Wenigstens etwas.
Danach stellte ich den Marantz erstmal ins Regal. Ich benötige etwas Abstand.
Ein paar Tage später kam mir dann der rettende Einfall: Ich hatte zwar anfangs alle benötigten Spannungen am Gerät gemessen und auch nachvollziehen können, aber was war mit der Brummspannung bzw. Ripple? Waren die Gleichspannungen sauber?
Dazu eine Erklärung: Als Brummspannung bezeichnet man die Restwelligkeit einer gleichgerichteten Spannung. Anders gesagt: Wieviel Wechselspannungsanteil ist nach der Gleichrichtung noch enthalten? Zuständig für diese Glättung sind größtenteils Kondensatoren. Lag hier der Fehler?
Also Oszilloskop angeschlossen und gemessen. Die +/- 60V sowie die +/- 5V waren sauber. Aber bei den 15V wurde mir eine saubere Sinuskurve angezeigt. Kein Wunder, dass der Marantz da knurrte. Würde ich auch machen.
Schaltplan raus, zuständigen Kondensator lokalisiert und festgestellt, das zum Messen das Motherboard ausgebaut werden muss. Hatten wir ja schon mal, also bekannter Arbeitsschritt.
Der Kondensator war auch schnell ausgelötet und eine Messung zeigte, das er sich als Widerstand definierte. Keine Kapazität mehr vorhanden. Also beide Kondensatoren, die für die Glättung der +/- 15V zuständig sind, gegen Nichicon Goldcaps getauscht. Dazu gleich noch eine fehlerhafte Zener-Diode gefunden.
Danach Motherboard einbauen, Steckkarten einsetzen und Funktionstest. Was war das: Kein Brummen, kein Knurren, einfach Stille. Wie schön.
Dann der Soundcheck. Tapedeck angestöpselt und der Marantz SR6200 spielte wie am ersten Tag. Alle Funktionen gegeben und auch der Tuner machte was er sollte.
Übrigens: Nach der Reparatur des Marantz SR6200 habe ich meine abzuarbeitende Checkliste überarbeitet . Es gibt da einen neuen Menüpunkt. Ratet mal.
Project done.
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